Wie kann die Patientensteuerung in der Indikations­sprechstunde funktionieren?

Die Lotsenfunktion des Medizincontrollings und Empfehlungen zur praktischen Umsetzung. Eine frühzeitige, sektorübergreifende und sowohl medizinisch als auch gesundheitsökonomisch belastbare Prozessplanung für den einzelnen Patienten wird einen wesentlichen Einfluss auf eine effiziente Leistungserbringung unter Berücksichtigung einer angemessenen Behandlungsqualität haben. Das operative Medizincontrolling sollte diese Prozesse nicht nur fachlich begleiten, sondern auch prozessual und administrativ absichern. Wie diese Lotsenfunktion in der Indikationssprechstunde konkret ausgestaltet werden kann, ist Gegenstand des folgenden Artikels.

Bei elektiv zu behandelnden Patientinnen und Patienten ist die Indikationssprechstunde der geeignete Ort und die Planung eines Operations- oder Interventionstermins der geeignete Zeitpunkt zur Patientensteuerung. Hierbei sollten die folgenden für die Organisation der Behandlung essenziellen Fragen geklärt und die Antworten nachvollziehbar in der Patientenakte dokumentiert werden:

• Was soll therapiert werden?
Diese Frage dient der Klärung der Indikation und damit der primären Behandlungsdiagnose. Zum Beispiel sind nicht alle Diagnosen relevant für Hybrid-DRGs. Eine Abrechnung als Hybrid-DRG käme dann nicht in Betracht. Darüber hinaus ist die potenzielle Hauptdiagnose wichtig zur Identifikation resultierender DRGs. Denn nur, wenn die Kombination aus den voraussichtlich im Rahmen des Eingriffs oder der Intervention zu kodierenden OPS-Prozeduren auch in eine Ausgangs-DRG für Hybrid-DRGs führt, ist eine Abrechnung über Hybrid-DRGs oder AOP überhaupt relevant.

• Wie soll therapiert werden?
Neben der Frage, was behandelt werden soll, kommt der Frage, wie das Behandlungsziel durch eine Operation oder eine Intervention erreicht werden soll, eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei ist die Identifikation der höchstwahrscheinlich zu wählenden OPS-Kodierung für den Eingriff / die Intervention von großer Wichtigkeit, um die Zuordnung der Maßnahme zu Hybrid-DRGs bzw. AOP-Leistungen simulieren zu können. Weitere wichtige Informationen in diesem Zusammenhang sind z. B., ob es sich um einen Rezidiveingriff handelt oder ob geplant ist, z. B. körpereigene oder alloplastische Materialien zu verwenden. Gegebenenfalls kommen OPS-Prozeduren zum Einsatz, die Kontextfaktoren im Sinne einer AOP- oder Hybrid-Abrechnung sind. Bei einer Erbringung als ambulante OP im Krankenhaus ist auch interessant, ob bei mehreren potenziellen OPS-Ziffern möglicherweise Simultaneingriffe abgerechnet werden können.

• Sachkosten / Implantatkosten:
Direkt verbunden mit der Frage, welche Operation / Intervention beim Patienten durchgeführt werden soll, ist die Klärung der voraussichtlich entstehenden Sachkosten zur Erreichung des Behandlungsziels. Hierbei ist es ratsam, sich auf die Implantatkosten und die Kosten des sonstigen, dem Fall eindeutig zuzuordnenden Materials zu fokussieren, da diese Kosten sehr uneinheitlich refinanziert werden. Idealerweise werden zu diesem Zeitpunkt des Steuerungsprozesses mehrere alternative Szenarien mit unterschiedlich hohen Sachkosten erstellt, um in Abhängigkeit des späteren Versorgungsprozesses, die Sachkosten / Implantatkosten nicht unberücksichtigt zu lassen.

• Liegen Komorbiditäten und / oder Kontextfaktoren vor?
Die Beantwortung dieser Frage ergänzt die Kodierung in Vorbereitung des nächsten Schrittes, der Fallsimulation. Komorbiditäten, die oft ärztlicherseits in der Patientenakte mit der ASA-Klassifikation beschrieben werden, können an dieser Stelle in Form einzelner Nebendiagnosen differenziert, plausibilisiert und bei der nachfolgenden Fallsimulation auf Ihre Bedeutung für die Art der Leistungserbringung überprüft werden. Gleiches gilt für die Identifikation von Kontextfaktoren, die, wenn vorhanden, einer Leistungserbringung als AOP- oder Hybrid-DRG entgegenstehen.

• Fallsimulation:
Im unmittelbaren Anschluss an das Zusammentragen der Hauptdiagnose, der Nebendiagnosen und der potenziell zu erbringenden OPS-Prozeduren wird unter Berücksichtigung weiterer Stammdaten der Patienten (z. B. Patientenalter, Vorhandensein eines Pflegegrades u. a.) eine Gruppierungs- und Erlössimulation des geplanten Eingriffs durchgeführt. Das Ergebnis zeigt den potenziellen Abrechnungspfad auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Informationen: AOP-Abrechnung oder Hybrid-DRG mit Aufnahme und Entlassung am gleichen Tag oder Hybrid-DRG mit einer Übernachtung oder vollstationäre Aufnahme und Abrechnung über aG-DRGs. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte können nun mit Unterstützung durch das Medizincontrolling den Behandlungspfad effizient organisieren. Diese Fallsimulation bereits zum Zeitpunkt der Indikationsstellung ist ein organisatorisches Novum für die meisten Kliniken in Deutschland. Sämtliche Abrechnungsprozesse (mit Ausnahme des fallbegleitenden Kodierens bei vollstationären Behandlungsfällen) finden derzeit regelhaft nachgelagert, also nach der durchgeführten Behandlung bzw. nach der Entlassung des Patienten aus der vollstationären Versorgung, statt. Dies ist vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer effizienten Leistungserbringung bei deutlich reduzierten Erlösen im Vergleich zur ehemals vollstationären Therapie nicht mehr zeitgemäß.

Die Strukturen und der Personaleinsatz müssen an diese neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Hierbei ergeben sich weitere organisatorische und prozessuale Herausforderungen:

Bei ambulanter/hybrider Leistungserbringung
• Es ist die Versorgung des Patienten im häuslichen Umfeld zu prüfen. Kann der Patient nach dem Eingriff / der Intervention abgeholt werden? Ist der Patient über 24 Stunden nach dem Eingriff / der Intervention durch eine volljährige Person versorgt? Hat der Patient die Indikation für den Eingriff verstanden und ist er in der Lage, den ärztlichen Verhaltensempfehlungen zu folgen?

• Es ist die prä- und postoperative ärztliche Versorgung bzw. Anbindung zu prüfen bzw. zu organisieren. Durch wen erfolgt die präoperative Vorbereitung und in welchem Umfang? Wer führt die postoperative Nachbeobachtung durch und in welchem Umfang? Sofern bei einer Abrechnung über Hybrid-DRGs die postoperative Nachbeobachtung im Krankenhaus stattfindet, welches die Operation/Intervention durchgeführt hat, ist auf eine entsprechende Dokumentation zu achten, um die hierfür vorgesehene zusätzliche Vergütung zu erhalten.

• Bei einem AOP-Eingriff ist die Möglichkeit der Abrechnung von Simultaneingriffen zu prüfen und ggf. auf die hierfür notwendigen Dokumentationsvoraussetzungen hinzuweisen.

• Ergeben sich im Rahmen dieser Prüfung Hinderungsgründe für eine ambulante/hybride Leistungserbringung, so sind diese zu dokumentieren und eine vollstationäre Leistungserbringung zu evaluieren.

Bei vollstationärer Leistungserbringung:
• Es sind die Gründe für eine vollstationäre Leistungserbringung in der Patientenakte zu dokumentieren.

Personelle und technische Ausstattung

Alle der oben aufgeführten Fragen, die im Rahmen der Indikationsstellung des Eingriffs / der Intervention zu beantworten sind, erfordern eine sowohl personelle als auch EDV-technische Unterstützung der Ärztinnen und Ärzte durch erfahrene Kodierfachkräfte aus dem Medizincontrolling, die als Lotsen fungieren. Diese müssen neben hervorragenden Kenntnissen der Klassifikationssysteme für Diagnosen (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS), des aG-DRG-Systems und der Hybrid-DRGs auch tiefgreifendes Know-how bzgl. der AOP-Abrechnung im Krankenhaus und des EBM aufweisen – also „Abrechnungs-Allrounder“ sein. Darüber hinaus müssen sie gut mit den Ärztinnen und Ärzten kooperieren, denn sämtliche Informationen müssen im Rahmen der engen zeitlichen Taktung einer Indikationssprechstunde erhoben, beurteilt, dokumentiert und zu einer Entscheidung über den weiteren prozessualen Weg verdichtet werden. Diese entsprechend qualifizierten Personen sind rar. In vielen Kliniken sind die stationäre und ambulante Abrechnung historisch getrennt „in zwei Welten“ organisiert, die oftmals nur wenig über- und voneinander wissen. Da der Personalmangel in den Kliniken hoch ist und es die beschriebenen „Abrechnungs-Allrounder“ nur in sehr geringer Anzahl gibt, ist eine zusätzliche EDV-/Software-Unterstützung bei den genannten Prozessen unumgänglich. So sind prozessuale Erleichterungen auch durch die Definition von Standardeingriffen zu erreichen. Aber auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist in diesem Rahmen zu evaluieren.

Fazit

In diesem Artikel wird die neue Funktion des operativen Medizincontrollings als interdisziplinärer, prozessbegleitender Partner der Ärzteschaft in Sachen Dokumentation und Erlössicherung zum Zeitpunkt der Indikationsstellung und des Behandlungsbeginns praxisnah erläutert. Die wachsende Bedeutung der frühzeitigen Integration des Medizincontrollings in die Steuerung klinischer Abläufe wird verdeutlicht. Sofern neben den hier thematisierten elektiven Behandlungsfällen auch vermehrt nicht-elektive, wie z. B. Appendektomien über Hybrid-DRGs abgebildet werden, werden die Herausforderungen noch deutlich zunehmen. Darüber hinaus warten auf die Kliniken weitere prozessuale Veränderungen bei der Leistungserbringung selbst, z. B. ob für die AOP- und Hybrid-Eingriffe ein MVZ oder ambulantes OP-Zentrum zur Verfügung steht oder ob das ärztliche und nicht-ärztliche Personal effizient eingesetzt wird). Hierzu werden weitere Artikel folgen.